Einleitung
Ich stütze mich hier auf verschiedene Quellen, die ich am Schluss des Artikels anführe. Die Hauptquellen bilden jedoch das Gillette Collectors Handbook von Phillip L. Krumholz und die ausführliche Bilddokumentation von Mr. Razor.
Geschichtliches
Das Unternehmen Gillette schätzt die im Jahr 1904 unnummeriert in den Verkauf gelangte Menge von Rasierern auf ungefähr 55’000. Es muss sich um die allerersten in den Jahren 1903 und 1904 hergestellten Rasierhobel gehandelt haben.
Während des Jahres 1904, wurde das System zur Seriennummerierung bei Gillette eingeführt. Fortan sollte jeder einzelne Rasierhobel eine individuelle Seriennummer tragen. Diese Nummer wurde ebenfalls auf dem Verpackungskarton notiert, in dem der Rasierer in den Verkauf kam.
Die ersten Double-Ring Rasierer trugen die Prägung „Pat. App. For“, gemäss Krumholz sollen es etwas weniger als 25’500 Stück gewesen sein. Alle weiteren trugen die Prägung „Pat. Nov. 5, 1904“ am Griffende über dem Rändelknopf.
Gillette stellte im Jahr 1904 weitere 45’424 Rasierer her, die nachweislich eine Nummer trugen.
Interessant ist die Fragestellung, wieso Gillette einen derart aufwändigen Arbeitsprozess, einen jeden einzelnen Rasierer zu nummerieren, auf sich genommen hatte.
Phillip L. Krumholz führt in seinem Buch augenzwinkernd an, dass der Grund bestimmt nicht darin lag, dass Gillette uns künftigen Sammlern die Datierung erleichtern wollte. Er sieht den Grund in Prozesskotrolle und Rückverfolgbarkeit der Produkte. So wie heute seriell hergestellt Produkte eine Losnummer tragen, um Fehler zurückverfolgen zu können, so erwartete Gillette vor über 100 Jahren zurecht einen Benefit. Es wurde damit möglich, Defekte oder Produktionsmängel umgehend bereits bei Stichproben festzustellen und auszumerzen und Produktionsvorgänge frühzeitig positiv zu beeinflussen.
Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass man mit dieser Nummer feststellen konnte, an wen ein einzelner Rasierer geliefert wurde. Es soll Händler gegeben haben, die die Preisempfehlungen von Gillette unterboten. Darauf habe Gillette sehr empfindlich reagiert und sehr viel getan, um solche Geschäftsgebaren zu unterbinden.
Nach der Meinung von Krumholz sei K.C. Gillette selber der stärkste Befürworter des Nummernsystems gewesen.
Er begründet das in seinem Buch mit der Tatsache, dass die Nummerierung erst zum Thema wurde, als sich abzeichnete, dass das Geschäft mit den Rasierhobeln tatsächlich ein Erfolg zu werden versprach. Hätte der Firma ein Scheitern gedroht, hätte Gillette sich wahrscheinlich nicht um solche Feinheiten gekümmert, die im Herstellungsprozess sicher einige Kosten verursachte. Wenn ich Krumholz richtig verstehe, begründet er seine Ansicht weiter damit, dass Premium-Set Rasierer bis zum Tod King Camp Gillettes weiter eine Seriennummer erhielten.
Die Seriennummerierung en detail

Gillette Old Type Single-Ring mit der Seriennummer A 368’XXX aus dem Jahr 1908. Seriennummer auf der Gewindehülse.
Dass Gillette seine Rasierer mit diesem aufwändigen System nummerierte ist für uns Sammler heute ein Geschenk.
Seriennummernsystem:
Wir kennen verschiedene Arten der Seriennummerierung:
1904 – 1907 Reine Nummer ohne Buchstaben
1907 – 1921 Buchstaben A-P (ohne I und O) gefolgt von der Nummer (1-999’999)
1921 – 1929 Nummer gefolgt von den Buchstaben A-C
Das grosse „I“ und auch der Buchstabe „O“ war in Gillettes Seriennummernsystem nicht verwendet worden, um Verwechslungen mit den Ziffern 1 und 0 zu verhindern.
Anhand dieser Seriennummerierung können wir heute einen dieser Rasierhobel auf das Jahr der Herstellung datieren.

Gillette Old Type Single-Ring, mit der Seriennummer M 829’XXX, aus dem Jahr 1920. Seriennummer mit dem vorangestellten Buchstaben auf der Oberseite der Grundplatte
Die Seriennummern waren bei den allerersten Rasierern (Double- und Single-Ring) auf das Gewindestück mit Rändelknopf gestanzt, die in die Griffhülse eingeschoben das Gewinde der Kopfplatte aufnahm.
Andere Gillettes wiesen die Seriennummer auch oben auf der Grundplatte auf.

Ein Gillette Big Fellow mit der Seriennummer 24’350 B aus dem Jahr 1922. Die Seriennummer mit dem nachgestellten Buchstaben, auf die Oberseite der Grundplatte geprägt.

Gillette Old Type ABC Pocket Edition mit der Seriennummer 931077 aus dem Jahr 1909. Seriennummer ohne den Buchstaben auf der Oberseite der Grundplatte.

Gillette Old Type Pocket Edition mit der Seriennummer H 332’443 aus dem Jahr 1918. Seriennummer mit dem vorangestellten Buchstaben H auf der Oberseite der Grundplatte.
Irgendwann verlegte man sich darauf, die Seriennummern unter die Grundplatte zu stempeln.
Ende 1929 wurde die Seriennummerierung von Rasierhobeln bei Gillette eingestellt, wie bereits erwähnt, bis auf wenige Premium-Set Rasierhobel.
Der Datumscode
Im Jahr ab 1950 wurde der Datumscode eingeführt. Dieser bestand aus einem Buchstaben und den Ziffern 1, 2, 3 und 4. Der Buchstabe bezeichnete das Herstellungsjahr, die Ziffer das Quartal des Jahres in dem der Rasierhobel hergestellt worden war.

Ein in Deutschland gefertigter Gillette Tech mit dem Datumscode L 3 aus dem Jahr 1966. Datumscode auf der Unterseite der Grundplatte.

Ein Gillette Slim Adjustable mit dem Datumscode J 2 aus dem Jahr 1964. Datumscode auf der Unterseite des Rasierkopfes.
Der Datumscode befindet sich ausnahmslos auf der Unterseite des Kopfes.
Die nummernlosen Jahre
In den nummernlosen Jahren, zwischen 1930 und 1949, wissen wir aus Unterlagen, welche Modellreihen in welchem Jahr gefertigt worden waren. Die sogenannten „The Goodwill“ Hobel als Beispiel waren 1931 und 1932 (einige bis 1935) aus Teilen verschiedener Modelle gefertigt worden, als Link zu den neu entwickelten Langloch-Rasierklingen, wie wir sie heute kennen. 1930 nämlich verabschiedete sich Gillette, quasi als Geniestreich“ von den herkömmlichen Dreiloch-Rasierklinen, um der immer grösser werdenden Konkurrenz ein Schnippchen zu schlagen. Gillette verkaufte bereits damals die NEUEN Klingen und gab dazu kostenlos einen Rasierer dazu, gewissermassen als kundenbindendes Geschenk. Die neuen Klingen konnten nur noch mit den neuen Goodwills oder New Modellen verwendet werden. Die Dreiloch-Klinge war für Gillette ab da der Vergangenheit anzurechnen.
Als weiteres Beispiel möchte ich einen der seltenen und schönen Gillette TTO (Twist To Open) Rasierer anführen, der lediglich 1941 in Produktion war. Der Ranger Tech, war lediglich kurz in Produktion, da Gillette sich danach der Produktion der dreiteiligen Service Tech und der Klingen fürs Militär zuwenden muss, um die Soldaten, die im zweiten Weltkrieg kämpften.
1946 muss Gillette die Produktion des Ranger Tech wieder aufgenommen haben und dem Modell von 1941 Endcaps spendiert haben. Somit gibt es vom Ranger Tech zwei Modelle. Das ältere, erkennbar an den fehlenden Endcaps und das spätere mit den Endcaps. Dann jedoch verschwindet dieser schöne Rasierer in der Versenkung, gilt aber als Vorläufer der Super Speed Rasierhobel.
Weitere Nummern und Zeichen
Die Datierungen mit Nummern und Nummern und Buchstaben ist zum Glück gut dokumentiert, dennoch kommt man dann und wann an seine Grenzen.
Eine zweite Nummer mit vorangestelltem „L“:
Steht für einen Old Type Rasierer, der, aus welchem Grund auch immer, an Gillette zurück geschickt wurde, um ihn zu reparieren und erneut in den Verkauf zu bringen.
Der Buchstabe „S“:
Auf der Grundplatte eines Gillette Tech soll gemäss den Recherchen von einigen ambitionierten Gillette-Sammlern für „Service“ stehen, also ein Rasierer, der fürs Militär hergestellt worden ist.
Patentnummern Vermerke oder lediglich angemeldete Patente:
Erlebten gerade bei den „The Goodwill“ Modellen einen seltenen Überschwang und belegen sehr eindrücklich den Wechsel von den New Improved zu der NEW Modellreihe.

Ein Gillette „The Goodwill“ Empire French, Made in England mit verschiedenen Prägungen auf der Unterseite der Grundplatte.

Ein Gillette „The Goodwill“ #164, Made in Canada, mit verschiedenen Prägungen auf der Unterseite der Grundplatte. Zu Grunde liegende Patente von 1920 – 1926 – 1929 – 1931 und der Hinweis auf hängige Patentanmeldungen.

Hier ein Gillette „The Goodwill“ Made in U.S.A. Auch hier die verschiedenen Patentnummern eingeprägt auf der Unterseite der Grundplatte #175 mit der Standard „The Goodwill“ Kopfplatte #160 von 1931.
Was gibt es noch?
Die mystischen II und römisch III:
Erst eine kleine Modellkunde. Ich versuche es hier sehr einfach zu erklären, ohne auf die Feinheiten der Modelle näher einzugehen.
Die in den USA hergestellten TTO (Twist To Open oder Butterfly) Hobel ab ungefähr 1947 bis in die 1960er nannte man Super Speed in Anlehnung an die superschnelle Art die Klinge zu wechseln. Die Rasierhobel jedoch, die in der gleichen Zeit in England (oder Europa) in Lizenz hergestellt wurden nennt man Rocket. Sie unterscheiden sich zuweilen optisch und in der Bauart der Köpfe. Das muss fürs Erste reichen.
Diese römischen Ziffern findet man lediglich auf den ausserhalb der Staaten hergestellten Rasierhobeln, den Rockets und sie bezeichnen die Aggressivität der Köpfe in Bezug auf die Rasur.
Die römische II unter einem Rocket Made in England bezeichnet einen „Medium“ Kopf.
Die römische III bezeichnet einen Rocket Made in England als „Heavy“ Kopf.

Gillette Rocket HD mit Aluminium Handle. Die römische II auf der Unterseite des Kopfes ist auf der rechten Bildhälfte sichtbar. Bei diesem Hobel fehlt interessanterweise der Hinweis „Made in England“.
Die Ziffern „0 0“:
Tragen grundsätzliche alle Super Speed Blue Tips als Zeichen für einen „Light“ Kopf, der eine „milde“ Rasur versprach. Dieses Zeichen muss sich links und rechts neben dem Griff befinden.

Ein Gillette Super Speed Blue Tip mit dem Datumscode A 2 aus dem Jahr 1955, einer aus der ersten Serie dieses Rasierhobels. Links und rechts des Griffs sind die beiden O gut sichtbar eingeprägt.
Gillette Super Speed Flare Tip Modelle Made in USA waren alle nicht speziell gekennzeichnet und hatten alle den „Medium“ Kopf (entspricht der römisch II beim Rocket Made in England).
Die Zeichen „+ +“:
Irgendwann zwischen Winter 1956 und Sommer 1957 (Datumscode B3-C2) wurden die Super Speed Red Tips mit den beiden ++ als „Heavy“ Köpfe gekennzeichnet. Diese Bezeichnung entspricht der Markierung der Rockets Made in England mit der römischen III.

Dieses Bild zeigt einen Gillette Super Speed mit Datumscode F 1 aus dem Jahr 1960. Links und rechts des Griffs gut sichtbar die beiden Zeichen + +.
Damit ist schon ein klein wenig Verwirrung gestiftet, aber das gehört einfach dazu. Ich werde versuchen, die Unterschiede zwischen den Super Speed und Rocket Rasierern in den jeweiligen Vorstellungsseiten näher zu erklären.
Das mysteriöse grosse „G innerhalb eines grossen D“:
Die Kennzeichnung eines grossen G innerhalb eines grossen D erscheint manchmal auch innerhalb eines Quadrats anstelle des D. Für das D habe ich auch schon die Bezeichnung „Bienenkorbsymbol“ gelesen.
Zu diesem Zeichen gibt es verschiedene Thesen. Die beiden Wahrscheinlichsten sind, dass es sich um eine Reparaturmarkierung handelt. Wir wissen jedoch, dass Gillette reparierte Hobel mit einer zweiten Seriennummer versah, der der Buchstabe „L“ vorangestellt wurde. Mir erscheint diese These falsch.
Ich tendiere zu der zweiten, in verschiedenen Diskussionen erhärteten, These, dass es sich um eine Markierung handelt, die auf den Rasierern angebracht werden musste, die versilbert waren und nach Frankreich exportiert wurden, oder für den Export in diesen Staat vorgesehen waren.
Gemäss in den Zwanziger Jahren des letzen Jahrhunderts geltendem französischem Recht, war es vorgeschrieben, sämtliche Dinge die versilbert oder vergoldet waren, zu punzieren. Gillette tat dies mit einem grossen G (wahrscheinlich für Gillette) in einem grossen D oder auch Bienenkorbsymbol. Ich kann hier einmal ein paar Links zu Bildern und Texten (Englisch) einstellen. Der User Mr. Razor, den ich auch zuweilen um Rat frage und der für mich DAS deutschsprachige Gillette-Kompetenzzentrum in Personalunion ist, stellt im Forum Badger & Blade das Bild einer Grundplatte des Modells NEW ein, das den Stempel G in D mit der Aufschrift „Importé des étas unis d’Amérique“ trägt. Der Stempel weicht in der Art ein wenig vom Stempel des oben gezeigten, versilberten New Improved Kopfes ab.
So scheint es, als habe Frankreich für versilberte und vergoldete Dinge zwei verschiedene Stempel verlangt.
Ein weiterer User im Forum Badger & Blade, James7604, stellt diesen Beitrag eines NOS Old Type Rasierers ein, der versilbert ist und für die Olympiade in Paris 1924 zum Export nach Frankreich vorgesehen war. Das zumindest verheisst die in Französisch verfasste Aufschrift auf dem Karton.
Leider wurde diese französische Vorschrift 1985, knapp vor dem Erscheinen des World Wide Web abgeschafft. So dass wir uns heute in der Lage sehen, dass wir darüber keine gesicherten Informationen im Netz finden können. Da werde ich nicht darum herum kommen, eine völlige Klärung auf einen späteren Zeitpunkt zu versprechen. Ich werde dran bleiben.
Ich hoffe, dass ich euch hier etwas über die Nummerierungen und die anderen Markierungen auf Gillette-Rasierern erzählen konnte, das ihr vielleicht noch nicht gewusst hattet.