Gedanken zwischen den Rasuren

Von Ronny Kunde, Juni 2022

Gentlemen,
hoch geschätztes Weibsvolk!

Mir ist gerade danach, mal ein paar Eindrücke zur Gemeinschaft der Nassrasuriten vom Stapel zu lassen.
In den circa zwei Jahren meiner Karriere unter der scharfen Klinge, habe ich inzwischen so einiges erlebt, was so nicht zu erwarten war, wenn man sich einem Thema, oder gar daraus erwachsenden Leidenschaft nähert.

Ich habe und hatte einige „Hobbys“.
Begibt man sich dann in vermeintliche „Fachkreise“, auf Foren und dergleichen, so stellt man oft recht schnell und ernüchternd fest, daß der Deutsche seine Leidenschaft, gerne mal zur Politik macht.
Da werden Rangordnungen ausgefochten, Kleinigkeiten zum heiligen Gral stilisiert; es wird gestritten und palabert, obwohl man doch nur seine Freizeit mit Mehrwert versehen möchte.

So etwas erlebte ich in Anglerkreisen, unter Veteranen der NVA, ja selbst unter Liebhabern der Kunst des Bonsai.
Verdammte Axt, warum läuft das unter Nassrasuriten (meist) anders?!

Da treffen sich Fischköppe, kölsche Jecken, Sachsen, bis hin zu bajuwarische Barbaren und können miteinander!
Briten stehen virtuell mit Deutschen am Waschbecken. Russen schwärmen gemeinsam mit Italienern über After-Shaves!
Man plaudert privat und auf einmal heißt es:“Gib mir mal deine Adresse, ich schicke mal was rüber!“.

Was um des Henkers Willen, läuft hier anders, als anderswo?!
Am „Hobby“ selbst, kann es kaum liegen.
Gut; die Klinge am Halse lehrt Demut und Feingefühl. Ist es aber so banal und simpel? Glaube ich irgendwie nicht!

Könnte es eventuell daran liegen, daß es eben nicht um „höher, schneller, weiter“ geht, sondern ganz einfach nur darum, den Duft einer Seife tief einzuatmen, in sich hinein zu grinsen, die Freude an der Leidenschaft zu genießen und eben nicht nen Platz mit breiten Schultern und Ellenbogen bestätigen zu müssen?

BBS ist BBS!

Ob der Hobel nu achthundert, oder acht Euro kostet.
Völlig Wurscht!

Ich habe das Gefühl;
Durch die Nassrasur treffen sich Menschen auf einer emotionalen Ebene. Die Rasur ist emotional. Sie mag notwendig sein, sinnführend, doch sie gibt darüber hinaus Lebensqualität. Die kann man nicht an äußeren Werten fest machen. Wohl aber am Gemütszustand. Das vermag kein Ferrari auf dem Kuhdamm. Spätestens an der nächsten Ampel geht der emotionale Kickdown nach hinten los.

Das Wohlbefinden bei der Nassrasur ist aber anhaltend.
So bleibt es offensichtlich nicht aus, daß Betroffene, Leidensgenossen, sich virtuell treffen und ob der grundlegenden Emotionalität der Sache eigentlich nicht umhin kommen, ebenso entspannt, miteinander umgehen.

Ist ein Genuss, ein wohltuendes Lebensgefühl wirklich sinnvoll und bereichernd, wenn man es im stillen Kämmerchen für sich allein genießt?

Ganz offensichtlich nicht.
Man beginnt seinen Spaß an der Materie zu teilen und stellt fest, es gibt so einige Vollhonks, welche das genau so sehen und sich mit Dir freuen, ja die inzwischen völlig ins vermeintlich schräge gelaufene Leidenschaft teilen!

Das, liebe Freunde, baut auf, gibt Lebensqualität.
Ein Psychologe könnte kritisch einwerfen, daß Gleiche unter Gleichen ihren Wahn verstärken.

Wenn aber aus einem solch vermeintlichen Wahn Freundschaften erwachsen, so ist mir dieser Wahnsinn doch lieber, als manch anderer in unserer Zeit.

Kurz und gut;
Ich bin ja kein Redner;
Ich wollte eigentlich einfach mal nur DANKE sagen.
Danke für die Menschlichkeit, welche sich bei Euch emotionalen Menschen zeigt, für das tolerante Miteinander, für den ganz offensichtlichen Brückenschlag der Nassrasur, welcher uns zusammen brachte.

Gruß aus der märkischen Heide!

Nachwort:
Lieber Ronny, vielen Dank für diesen tollen Text und dass du mir die Möglichkeit gibst, ihn hier abzudrucken.